Rockharz Open Air 2016
Von außergewöhnlichen Crownsurfern, geflashten Fotografinnen und starken Männern
09.07.2016 [sh] Um das Anreisedesaster des letzten Jahres zu umgehen, entschloss man sich in diesem Jahr, den Campingplatz bereits ab Dienstag gegen einen kleinen Obolus freizugeben. Eine gute Entscheidung wie sich herausstellte. Keinerlei Anfahrtsstau, dafür große Partystimmung und allgemeines Familientreffen. Denn familiär ist das Rockharz trotz gut 13.000 Besuchern noch immer und das ist auch so gewollt. Die einmalige Atmosphäre und das familiäre Ambiente in einer wundervollen Kulisse sollen lt. Veranstalter nicht dem Kommerz zum Opfer fallen. Dies machte auch das Rockharz 2016 wieder zu einem Besuchermagneten und man vermeldete erneut frühzeitig den Ausverkauf der Festivaltickets. Wo auch sonst findet man die perfekte Mischung aus hämmernden Metal-Riffs, melancholischem Darkrock, gemeinsam feiernden Fans, spaßerprobten Securitys, einer gut gelaunten Fotografengemeinschaft und allem voran einer gut durchdachten und im Großen und Ganzen perfekten Organisation. Natürlich auf dem Rockharz, im Schatten der Teufelsmauer.
Aufgrund der frühzeitigen Anreisemöglichkeit war der Campingplatz bereits am Mittwoch gut gefüllt und die Devils Wall Stage lud ab dem Nachmittag mit Bands wie Kissin’ Dynamite, Asenblut und J.B.O. zum Festivalauftakt.
Entspannt und mit einer gehörigen Portion Vorfreude startete ich am Donnerstag in Richtung Harz, immer der Sonne entgegen. Mit dem Erreichen des Infieldes, standen Spiritual Beggars bereits in den Startlöchern und brachten mit Auszügen aus ihrem aktuellen Album „Sunrise To Sundown“ die bis dato versammelte Meute zum Feiern und Moschen. Die Luft flimmerte, die Sonne brannte und auch die nachfolgenden Entombed A.D. und Annihilator heizten den immer zahlreicher werdenden Festivalbesuchern ordentlich ein. Aller guten Dinge sind drei und so beehrten Soilwork nach zwei kurzfristigen Absagen in den vergangenen Jahren nun endlich das Rockharz. Mit feinstem Melodic Death Metal und einer gehörigen Portion Energie und Spielfreude ließen sie die Bühne erbeben. Die Fans dankten es auch sogleich mit wahrer Begeisterung und großen Circle Pits. Mit der untergehenden Sonne enterten die deutsche Heavy Metal Legende Gamma Ray die Bühne und hatten musikalische Leckerbissen bis in die frühen Schaffensjahre im Gepäck. Die Menge vor der Bühne honorierte dies mit einem stimmgewaltigen textsicheren Chor und zu tausenden in die Luft gestreckten Pommesgabeln. Während nun eingefleischte Fussballfans die Deutsche Mannschaft im EM Halbfinale ins Aus begleiteten, zog Mastermind Alexander „ASP“ Spreng die hörigen Massen in seinen Bann. Wohl wahr, seinem Charisma kann man sich nur schlecht entziehen und so wächst seine Fangemeinde stetig. Begleitet von einer fulminanten Feuershow performte er nicht nur Klassiker, wie „Werben“ und „Schwarzes Blut“, auch aktuelle Stücke rund um das Leipziger Hotel Astoria durften nicht fehlen. Das Publikum war mit Herz und Seele dabei und feierte, als gäbe es kein Morgen. Dies brachte die Künstler schon einmal dazu, zur Höchstform aufzulaufen. Natürlich verhallten auch die „Ich will brennen“ Rufe nicht ungehört und so bekam der Teufel einmal mehr eindrucksvoll zu spüren, wie ein Höllenfeuer auszusehen hat. Einen guten Platz musste man sich auch bei Saxon frühzeitig erobern. Auch hier sprach die Platzfülle für sich. Als Saxon blicken die Briten auf eine 37-jährige Bandgeschichte zurück und kredenzten dem Rockharz Besucher ein Best-Of-Konzert der besonderen Klasse. Von Beginn an hatten die Herren die Zuhörer im Griff und verwandelten das Infield noch einmal in einen brodelnden, tanzenden und tobenden Hexenkessel. Da verließ selbst die Brockenhexe ihren Berg, schwang das Tanzbein und zeigte dem Teufel eine lange Nase. Während dies für mich einen exzellenten Tagesabschluss darstellte, hielten Enslaved die Feierwütigen weiterhin auf dem Platz.
Der Freitag begann nach einem kurzen Abstecher zum Kloster Wendhusen mit ausgesprochener Frauenpower auf der Rockstage. Die ehemaligen Krypteria-Mitglieder rund um Frontfrau Ji-In Cho verhalfen mit neuem Projekt And Then She Came und erstklassischem Modern Rock den noch müden Besuchern in den Tag. Während die Schweden Twiglight Force mit jeder Menge magisch-elfischem Power Metal überzeugten, boten Kampfar einen Ausblick auf das kommende Album „Profan“. Mit dem dargebotenen Black-Metal von Der Weg einer Freiheit strapazierte man die Nackenmuskulatur wieder aufs Äußerste, bevor es mit vornehmer Kammermusik der Herren von Coppelius zur Sache ging. Diese beherrschen nicht nur ihre Instrumente, sondern auch ihr entzückendes Minenspiel. Spaß ist hier vor vorprogrammiert und auch so manch Bad in der Menge wurde noch mit einem Schluck Schampus gekrönt. Am Horizont wurde es finster, ein bedrohliches Untergangsszenariograu umhüllte den Brocken und ich machte mir nun doch ein wenig Gedanken, ob die Entscheidung, in die Luft zu gehen, die richtige war. Jedoch mit AXXIS, Primordial und Kärbholz zog nicht nur der späte Nachmittag, sondern auch die Unwetterfront an uns vorbei. Wahrscheinlich halfen auch die Jubelrufe des Publikums für ihre Idole und die in die Höhe gereckten Fäuste. So führte mich nun der Weg in Richtung Flugtower und einem viel zu kleinen Flugzeug. Nervöse Schmetterlinge bevölkerten meine Magengegend und tanzten Rumba. Einsteigen, anschnallen und quer über die Wiese zur Startbahn. Augen zu und durch, aussteigen ist nun keine Option mehr und kneifen galt sowieso nicht. Jedoch bereits beim gelungenen Start war jegliche Angst verflogen und ein Gefühl von grenzenloser Freiheit machte sich breit. Das Festivalgelände in seiner gesamten Größe, wie auch ein wundervolles Stück Harz lagen uns zu Füßen und die untergehende Sonne zauberte einen Regenbogen in den Himmel. Einfach magisch und ein wahnsinnig tolles Gefühl, welches mich auch die darauffolgenden Stunden nicht mehr losließ. Vollkommen geflasht und mit einem breiten Grinsen betraten wir wieder festen Boden und die Schmetterlinge tanzten noch immer, nur diesmal im Takt. Mit jeder Menge Klamauk und Knorkator sollte es weitergehen. Frontmann Stumpen haute nicht nur den Anwesenden die Gassenhauer um die Ohren, er tanzte, hüpfte und sprang und dies nicht nur auf, sondern auch von der Bühne. Allgemeines Crowdsurfing wurde angeregt und en masse Folge geleistet. Trotz der zu leistenden Schwerstarbeit, lag den starken Männern der Security noch immer ein Lächeln auf den Lippen und sie nahmen jeden Ankömmling freundlich in Empfang. Gänsehaut und ein tolles Gemeinschaftsgefühl kam auf, als auch eine Rollifahrerin sicher über ein Meer aus Händen getragen wurde. Mit bekannten und mitreißenden Mittelalterrock eroberten Saltatio Mortis anschließend das Gelände und puschten die Fans weiter zur Ekstase. Ob tanzend, grölend, headbangend oder rhythmisches Hände-in-die-Luft-strecken, die Menge zeigte vollen Einsatz. Mit dem Headliner Avantasia, deren überzeugender Bühnenperformance und einer ausgeklügelter Lichtshow beschloss ich schlussendlich diesen Tag.
Der Samstagmorgen grüßte mit strahlendem Sonnenschein. Dem Rat einer guten Freundin folgend, machte ich einen Abstecher ins malerische Gernrode, um mir eines der bedeutendsten ottonischen Architekturdenkmale, die Stiftskirche St. Cyriakus anzuschauen, bevor es anschließend weiter zum Festivalgelände ging. Dort angekommen, heizten bereits Winterstorm mit eingängigem Power Metal ein und ersetzten mit Bravour Draconians Line Up Position. Während Heldmaschine und Hämatom den Fans Neue Deutsche Härte Klänge entgegen donnerten, Gloryhammer fantasiereich die Partystimmung anheizte, lud das finnische Headbangquartett Omnium Gatherum, Finntroll, Ensiferum und Children of Bodom mit brillanten Gitarrenriffs und schnellen Sounds zum ausgelassenen Nackenmuskulaturdehnen ein. Das Stimmungsbarometer stieg und hallte über die Harzer Höhen, Circle Pits ließen den Staub tanzen und die Sonne trieb das Quecksilber in den roten Bereich. Subway to Sally baten zum wilden „Tanz auf dem Vulkan“. Die ekstatische Menge kam der Aufforderung nur zu gern nach und mit einem Hitquerschnitt brachte man das Infield tobend, tanzend und springend zum Beben. Einhellig einsetzende Blut-Rufe hallten über das Gelände und mit „Julia und die Räuber“ stillte man nicht nur deren Blutdurst, sondern leitete auch das Konzertende ein. Nun galt es, sich den Missionaren von Powerwolf anzuschließen. Mit krachenden Metal Riffs und dröhnenden Bässen fackelten sie den Beichtstuhl ab und zündeteten ein höllisches Feuerwerk. Ob mit „Resurrection by Erection“, „We Drink Your Blood“ oder „Amen & Attack“, die Jünger vor der Bühne waren lautstark, textsicher, ließen zu diesen Rhythmen die Köpfe kreisen und heulten gemeinsam mit den Wölfen den Mond an. Welch energiegeladene Atmosphäre, noch einmal genießt man ein vollständig gefülltes Infield, spürt die Euphorie des Festivalpublikum, aber auch die Melancholie des nahenden Endes. Dieses leitete Tanzwut und der Teufel höchst selbst ein und fand im gemeinsamen Trinkgelage mit Versengold einen feuchtfröhlichen Ausklang.
Wieder schnürten die Macher ein überaus breites und vielseitiges Line Up und bescherten den Besuchern ein ereignisreiches und interessantes Festivalwochenende. Während die Bands die Bühnenbretter krachen ließen, feierte das Publikum ausgelassen und vor allem friedlich miteinander. Einen Riesendank gilt den Veranstaltern und all den fleißigen Helfern, die dieses Festival auf die Beine stellen, Zeit und wohl auch viele Nerven investieren, um es jedes Jahr aufs Neue zu einem einmaligen Erlebnis für die Fans werden zu lassen. Chapeau!
Einmalig auch das gesamte verrückte Fotografenvolk, für die das Rockharz jedes Jahr aufs Neue ein sehnlichst erwartetes Familientreffen ist. Mit Euch jederzeit, spätestens aber in einem Jahr, wenn die Brockenhexe zu hämmernden Metalriffs headbangt und der Teufel die Wall of Death anführt.